Tierwohl
Bruder-tiere

Bruder-Tiere

Den männlichen Tieren einen Wert geben

Die Züchtung von Nutztierrassen war jahrzentelang nur einseitig ausgerichtet hin zu Hochleistungsrassen, die spezialisiert sind auf möglichst hohe Erträge. Das Ergebnis dieser Züchtungen sind Legehennenhybride, die nicht selten mehr als 300 Eier im Jahr legen, oder Milchkühe mit Milcherträgen von 10.000 Litern pro Jahr. Auf der Strecke geblieben sind dabei die Bruderküken und Bruderkälber, denn Männchen legen keine Eier und geben keine Milch. Und die Mast der Brüder lohnt sich nicht, da sie wesentlich weniger Fleisch ansetzen als ihre speziell gezüchteten Pendants: Die Masthühner und -rinder. Ohne Wert für die landwirtschaftliche Nutzung werden die Brudertiere bislang einfach "entsorgt". So ist es heute leider Standard, dass die Bruderküken gar nicht mehr schlüpfen dürfen und die männlichen Kälber der Milchkühe nicht selten auf Tiertransporten zu tausenden Kilometern entfernten Auslandszielen landen. Bei der Schweinehaltung werden zwar von jeher beide Geschlechter für die Mast aufgezogen, aber auch hier sind es wieder die männlichen Tiere, die für Diskussionen sorgen. Wenn es nämlich um die Kastration der männlichen Ferkel geht.

Da auch Öko-Betriebe aus Mangel an alternativen Züchtungen und aus Wirtschaftlichkeit hauptsächlich Hochleistungsrassen einsetzen, sind sie Teil dieses problematischen Systems. Damit abfinden wollen sie sich aber nicht so einfach, daher wird schon seit vielen Jahren nach Lösungen gesucht, um auch den Brudertieren wieder einen Wert als Nutztier zurückzugeben.

Die zunehmende Sensibilisierung der Verbraucher:innen leistet einen weiteren Beitrag. War die Thematik in der Vergangenheit den wenigsten bewusst, erfolgt gerade eine Wandel und ein zunehmend kritischer Blick der Verbraucher:innen beim Kauf von tierischen Produkten. Denn eins ist klar: ohne die Verbraucher:innen geht es nicht. Wer regelmäßig Bio-Eier und Bio-Milch konsumiert und Wert darauf legt, dass auch die Brudertiere auf einem Öko-Hof aufgezogen werden, sollte gelegentlich auch mal Bio-Fleisch vom Bruderhahn und vom Bruderkalb kaufen.

So möchten wir mit den männlichen Nutztieren umgehen

Hähne

Film zur Naturland Initiative "Bruderküken Leben schenken":
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Bruderküken Leben schenken

Den oben beschriebenen Weg können und wollen wir so nicht mehr weitergehen und haben daher die Initiative "Bruderküken Leben schenken" gestartet. Alle Bruderküken von Naturland Legehennen sollen künftig wie ihre Schwestern groß werden dürfen. Damit lösen wir zwei Probleme des Geflügelmarkts auf einen Schlag: Wir beenden das Kükentöten. Und wir stellen die ökologische Aufzucht der Bruderhähne sicher.

Denn auch wenn sie im Gegensatz zu Masthähnchen weniger Fleisch ansetzen – wir finden, sie haben das gleiche Recht auf ein artgerechtes Leben als Nutztier. Unsere Öko-Bruderhähne leben überwiegend in reinen Hahnengruppen und werden mit viel Liebe, Auslauf im Freiland, Platz zum Scharren und Bio-Futter aufgezogen.

Schon 2011 haben Naturland Betriebe mit der „Aktion ei care“ eine der ersten Initiativen gegen das Kükentöten gestartet. Zahlreiche weitere Initiativen und Projekte später geht Naturland nun den konsequenten Schritt, die Öko-Bruderküken-Aufzucht ab 2022 für alle Betriebe verbindlich vorzuschreiben. Die entsprechende Richtlinie wurde im Juni 2021 verabschiedet. Parallel geht die Umsetzung bereits in großen Schritten voran. So schenken unsere Bäuerinnen und Bauern jährlich knapp einer Million Bruderküken ein Leben mit Wert.

Zweinutzungshuhn

Neben der Aufzucht der Brüder aus reinen Legerassen arbeitet Naturland auch an der Weiterentwicklung der so genannten Zweinutzungshühner. Diese Hühnerrassen sind von Anfang an für beide Nutzungen ausgelegt. Im Projekt "RegioHuhn" sollen aus sechs alten, regionalen Hühnerrassen durch Kreuzungszucht neue, praxistaugliche Zweinutzungshühner entstehen. Dieser Erklärfilm von Naturland Bauer Fabian Häde zeigt sehr anschaulich, was Zweinutzungshühner ausmacht.

Mit Ihrer Unterstützung durch den Kauf von Eiern, Fleisch und verarbeiteten Geflügelprodukten wie Wurst oder Frikassee in Naturland Qualität können es noch mehr werden. Ihre Kaufentscheidung als Konsument:in trägt aktiv zu artgerechter und ökologischer Tierhaltung bei. Wenn auch Sie den Bruderküken Leben schenken wollen, achten Sie in Zukunft beim Direktvermarkter, im Bioladen oder im Supermarkt einfach auf das Bruderküken-Logo neben dem Naturland Zeichen.

Kälber

Der Bio-Milchmarkt boomt. Was vielen Verbraucher:innen allerdings noch nicht ausreichend bewusst ist: Milch und Fleisch gehören zusammen. Ohne Kälber gibt es auch keine Bio-Milchprodukte, denn eine Kuh gibt nur Milch wenn sie ein Kalb geboren hat. Die Hälfte der Kälber sind allerdings männlich und eine Aufzucht der sogenannten „Bruderkälber“ ist für die Öko-Milchviehbetriebe mit hohen Kosten verbunden. Während die weiblichen Kälber als Nachzucht in der Regel auf dem Betrieb bleiben, werden die Bruderkälber verkauft und landen zumeist in der konventionellen Mast. Diese Praxis ist für die Öko-Betriebe alles andere als zufriedenstellend, aber aus wirtschaftlichen Gründen (noch) kaum anders durchführbar. Eine ökologische Aufzucht aller Kälber bedeutet höhere Kosten und würde die ohnehin schon unter Preisdruck stehende Milchproduktion unrentabel machen.

Einzig höhere Endverbraucherpreise für Milcherzeugnisse sowie Fleischprodukte von Bruderkälbern würden den Öko-Betrieben erlauben, diese umzusetzen. Ebenso verhält es sich damit, alternative Lösungen für die Kälberaufzucht zu etablieren. Aktuell ist es gängige Praxis, Kälber kurz nach der Geburt von ihren Müttern zu trennen und separat aufzuziehen.

Erfreulicherweise nimmt das Bewusstsein der Verbraucher:innen für die Kälberproblematik in der Milchproduktion zu und somit auch die Bereitschaft, für Produkte aus artgerechter Kälberaufzucht mehr zu zahlen. Für die Öko-Milchviehhaltung bedeutet dies eine Perspektive für einen echten Wandel hin zu einer wertschätzenden und wertschöpfenden Kälberaufzucht und Rindfleischerzeugung, wie sie z.B. in der Naturland Initiative Schwarzwald Bio-Weiderind umgesetzt wird.

KUHGEBUNDENE KÄLBERAUFZUCHT ALS LÖSUNG

Die Zahl der Öko-Betriebe und -Initiativen, die den Schritt hin zu einer kuhgebundenen Kälberaufzucht gehen, nimmt stetig zu, wie z.B. auf dem Naturland Betrieb Hof Hellmig. Die männlichen Kälber werden entweder selbst auf dem Betrieb aufgezogen oder die Milchviehhalter:innen suchen Kooperationsbetriebe mit Öko-Mutter- oder Ammenkuhhaltung in der Region, die die Bruderkälber aufnehmen und vermarkten.

Auch für die weiblichen Kälber bedeutet diese Art der Aufzucht, dass sie länger bei ihren Müttern oder Ammenkühen trinken können und somit ein Plus an Tierwohl. Obwohl bisher nur einige wenige Öko-Betriebe diesen Weg gehen, sind es doch wichtige Leuchtturmprojekte, die zeigen, dass es funktioniert und zum Nachahmen motivieren.